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Die
Republik Italien bestimmt schon in ihrer Verfassung, die am 1. Januar
1948 in Kraft trat, in den „Grundprinzipien“ das Recht
der Bürger auf ihre eigene Sprachidentität.
In der Tat ist in Art. 3 die Erklärung enthalten, dass „alle
Staatsbürger die gleiche gesellschaftliche Würde haben und
vor dem Gesetz gleich sind, ohne Unterschied des Geschlechtes, der
Rasse, der Sprache, des Glaubens, der politischen Anschauungen, der
persönlichen und sozialen Verhältnisse“, und Art.
6 verpflichtet die Republik, „mit extra dafür vorgesehenen
Gesetzen“ die Sprachminderheiten zu schützen.
Mit dem Gesetz Nr. 482 vom 15. Dezember 1999 sorgte
der italienische Staat dafür, als Durchführung von Art.
6 der Verfassung, den Schutz und die Aufwertung der historischen Sprachminderheiten
in Italien zu regeln, während bis dato die geschützten Sprachminderheiten,
vor allem die Slowenen in Friaul – Julisch Venetien und die
Deutschen in Südtirol, nach spezifischen internationalen Abkommen
geschützt wurden, die nach dem zweiten Weltkrieg abgeschlossen
wurden.
Das Gesetz 482 reiht sich in einen Rahmen von Gesetzen und allgemeinen
bedeutenden europäischen Leitlinien ein: Art. 2 bestimmt den
Schutz der Sprachgemeinschaften, die „entsprechend den allgemeinen
Grundsätzen der europäischen und internationalen Organe“
erkannt wurden, und die angeführten Grundsätze müssen
auf den Inhalt der „Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten“
und der „Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“
bezogen werden.
Es handelt sich dabei um Rechtstexte, die 1998 in Kraft traten, also
fast fünfzig Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, und die in der
europäischen Geschichte einen historischen Schritt darstellen,
den wir für die Minderheiten und Regional- und Minderheitensprachen
als „neuen Zeitabschnitt in Europa“ definieren können.
Außerdem muss betont werden, dass diese Rechtstexte, genau wie
das Gesetz Nr. 482, zu einem Anhaltspunkt für weitere Rechtsvorschriften
der Mitgliedsstaaten werden.
Mit dem Gesetz 482/1999 bestimmt der italienische Staat in Art. 2
die „historischen“, also die einheimischen Sprachminderheiten,
die auf italienischem Staatsgebiet präsent sind, und zwar: albanische,
katalanische, deutschsprachige, griechische, slowenische, kroatische,
und französische, frankoprovenzalische, friulanische, ladinische,
okzitanische und sardische Bevölkerungsgruppen.
In Friaul – Julisch Venetien wurden slowenische, deutschsprachige
und friulanische Bevölkerungsgruppen anerkannt.
Es muss betont werden, dass sich die Region Friaul – Julisch
Venetien schon Sondervorschriften gegeben hatte, wenn auch mit anderer
Reichweite und anderer Finanzierung für die einzelnen Sprachminderheiten,
die dann mit dem Gesetz 482 anerkannt wurden, insbesondere mit den
Regionalgesetzen 46/1991 (slowenische Minderheit), 15/1996 (friulanische
Sprache und Kultur) und 4/1999, Art. 6 (deutschsprachige Gemeinschaften).
Nach dem Gesetz 482/1999 und dem späteren Gesetz 38/2001 (umfassender
Schutz der slowenischen Minderheit) zeichnet sich somit in Friaul
– Julisch Venetien eine regionale „Mehrsprachigkeit“
ab, für die die Region auf der Grundlage des Autonomiestatuts
in primis tätig werden muss, auch in Anbetracht der Tatsache,
dass zwei der anerkannten Sprachgemeinschaften – die slowenische
und die friulanische – ausschließlich in Friaul –
Julisch Venetien leben, während deutschsprachige Gemeinschaften
auch in anderen italienischen Alpenregionen präsent sind.
Mit diesem Gesetz zielen die Maßnahmen des italienischen Staates
insbesondere auf die Bürgerrechte des Einzelnen ab, also auf
das Recht auf den Vor- und Nachnamen in der Sprache der eigenen Gemeinschaft
(Art. 11) und auch gegebenenfalls auf die Umbenennung in die ursprüngliche
Form, falls der Name in der Vergangenheit von den kommunalen Meldebehörden
geändert wurde, sowie auf das Recht auf die Verwendung der Ortsnamen
in der Minderheitensprache in den Kommunen, in denen traditionell
die Sprachgemeinschaft lebt (Art. 10).
Der Geltungsbereich des Gesetzes zielt nicht nur auf den Schutz und
den Erhalt, sondern auch auf die Aufwertung der Minderheitensprachen
ab, und folglich sind die Finanzmittel für drei strategische
Hauptbereiche für das Überleben dieser Sprachminderheiten
bestimmt: Bildungswesen, Ämter der öffentlichen Verwaltung
und Massenmedien.
Für das Bildungswesen (Art. 4 und 5) ist die Verwendung der Minderheitensprache
vom Kindergarten bis zur Grund- und Mittelschule vorgesehen, wobei
die Eltern bei der Anmeldung des Kindes angeben müssen, ob sie
dieses Recht in Anspruch nehmen wollen oder nicht.
Auch die Universitäten in den betroffenen Gebieten können
im Rahmen ihrer Eigenständigkeit Sprach- und Kulturkurse der
geschützten Sprachen planen (Art. 6).
Mit den Art. 9 und 15 wurden Fördermaßnahmen zugunsten
der Einführung der Minderheitensprachen in den Ämtern der
öffentlichen Verwaltung geplant (Region, Provinzen, Kommunen
und andere Gebietskörperschaften), so dass Personal mit Kenntnissen
in den Minderheitensprachen für die Bürger zur Verfügung
steht.
Abschließend wurden mit den Artikeln 12 und 14 die Maßnahmen
im Bereich Massenmedien (Verlagswesen, Rundfunk und Fernsehen) geregelt,
die in einer Gesellschaft mit Medienkultur von grundlegender Bedeutung
sind.
Mit dem Schutzgesetz 38/2001 für die slowenische Minderheit
wird eine neue Regelung eingeführt, die „umfassende“
Maßnahmen für eine spezifische Minderheit vorsieht.
Es handelt sich dabei um eine komplexe Vorschriftenregelung, die zum
ersten Mal gesetzlich anerkennt, dass es eine slowenische Sprachminderheit
in Friaul – Julisch Venetien gibt, und zwar nicht nur in den
Provinzen Triest und Görz, die schon per internationalen Abkommen
geschützt wird und auf die in Art. 28 des Gesetzes verwiesen
wird, sondern auch in der Provinz Udine, indem in Art. 12 das Institut
für slowenische Bildung in San Pietro al Natisone anerkannt und
Fördermittel für die Wahrung der sozialen, wirtschaftlichen
und umweltpolitischen Interessen der Gemeinden des Canal del Ferro,
des Kanaltals, der Valli del Torre und der Natisonetäler (Art.
21) bereit gestellt werden.
Im Gesetz 38 wird nicht nur, wie im Gesetz 482, auf die allgemeinen
Grundsätze der europäischen Organe verwiesen, sondern in
Art. 2 wird die spezifische Ausrichtung an den Schutzmaßnahmen
erklärt, die in der „Rahmenkonvention zum Schutz nationaler
Minderheiten“ und in der „Europäischen Charta der
Regional- oder Minderheitensprachen“ vorgesehen sind.
Die Begrenzung des Gebietes in Friaul – Julisch Venetien, in
dem traditionell die slowenische Minderheit lebt, ist Aufgabe eines
paritätischen institutionellen Ausschusses für die Probleme
der slowenischen Minderheit (Art. 3).
Bei einigen Artikeln des Gesetzes muss betont werden, dass analog
zum Gesetz 482 insbesondere das Recht der zur slowenischen Minderheit
gehörenden Bürger auf den Vor- und Nachnamen in slowenischer
Sprache geschützt wird (Art. 7), wobei auch Verfahren für
die Änderung des Nachnamens vorgesehen sind, wenn dieser zuvor
in der italienischen Form aufgezwungen wurde. Ferner wird das Recht
auf Bezeichnung, Embleme und Schriftzüge in slowenischer Sprache
von Instituten, Körperschaften, Vereinigungen und Unternehmen
geschützt, und in Art. 10 ist auch die Verwendung der slowenischen
Sprache zusätzlich zum Italienischen für die öffentliche
Ausschilderung und Ortsnamen vorgesehen.
Von besonderer Bedeutung ist Art. 23, der die Bestimmungen von Art.
18 des Gesetzes 482 im Bereich des strafrechtlichen Schutzes der Sprachminderheiten
ergänzt und klare Strafen verfügt, um Intoleranz und Gewalt
gegenüber Angehörigen der Sprachminderheiten vorzubeugen
und strafrechtlich zu verfolgen.
Das Gesetz greift in die drei grundlegenden, schon für das Gesetz
482 beschriebenen Bereiche ein, nämlich Bildungswesen, Verwendung
der Sprache in der öffentlichen Verwaltung und Massenmedien,
aber auch bei Tätigkeiten in den Bereichen Kultur, Kunst, Sport,
Freizeit, Wissenschaft, Bildung, Information und Verlagswesen der
slowenischen Minderheit und verfügt deren finanzielle Förderung
mit einem entsprechenden Jahresbeitrag (Art. 16) an die Region Friaul
– Julisch Venetien.
Die Bestimmungen nach Art. 20 sehen Schutzmaßnahmen für
das historische und künstlerische Erbe der slowenischen Minderheit
vor, und in Art. 19 wird die Rückerstattung von Gütern und
Immobilien für die Tätigkeit kultureller und wissenschaftlicher
Institutionen geregelt, die früher der slowenischen Minderheit
gehörten.
Abschließend muss betont werden, dass mit Art. 5 das
Gesetz 38 im Rahmen der Bestimmungen des Gesetzes 482 besondere Schutzformen
für die deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen im Kanaltal
garantiert hat.
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