SPRACHGEMEINSCHAFTEN>STAATLICHE GESETZGEBUNG    

Riccardo Illy

 
Die Republik Italien bestimmt schon in ihrer Verfassung, die am 1. Januar 1948 in Kraft trat, in den „Grundprinzipien“ das Recht der Bürger auf ihre eigene Sprachidentität.
In der Tat ist in Art. 3 die Erklärung enthalten, dass „alle Staatsbürger die gleiche gesellschaftliche Würde haben und vor dem Gesetz gleich sind, ohne Unterschied des Geschlechtes, der Rasse, der Sprache, des Glaubens, der politischen Anschauungen, der persönlichen und sozialen Verhältnisse“, und Art. 6 verpflichtet die Republik, „mit extra dafür vorgesehenen Gesetzen“ die Sprachminderheiten zu schützen.
Mit dem Gesetz Nr. 482 vom 15. Dezember 1999 sorgte der italienische Staat dafür, als Durchführung von Art. 6 der Verfassung, den Schutz und die Aufwertung der historischen Sprachminderheiten in Italien zu regeln, während bis dato die geschützten Sprachminderheiten, vor allem die Slowenen in Friaul – Julisch Venetien und die Deutschen in Südtirol, nach spezifischen internationalen Abkommen geschützt wurden, die nach dem zweiten Weltkrieg abgeschlossen wurden.
Das Gesetz 482 reiht sich in einen Rahmen von Gesetzen und allgemeinen bedeutenden europäischen Leitlinien ein: Art. 2 bestimmt den Schutz der Sprachgemeinschaften, die „entsprechend den allgemeinen Grundsätzen der europäischen und internationalen Organe“ erkannt wurden, und die angeführten Grundsätze müssen auf den Inhalt der „Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten“ und der „Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ bezogen werden.
Es handelt sich dabei um Rechtstexte, die 1998 in Kraft traten, also fast fünfzig Jahre nach dem zweiten Weltkrieg, und die in der europäischen Geschichte einen historischen Schritt darstellen, den wir für die Minderheiten und Regional- und Minderheitensprachen als „neuen Zeitabschnitt in Europa“ definieren können. Außerdem muss betont werden, dass diese Rechtstexte, genau wie das Gesetz Nr. 482, zu einem Anhaltspunkt für weitere Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten werden.
Mit dem Gesetz 482/1999 bestimmt der italienische Staat in Art. 2 die „historischen“, also die einheimischen Sprachminderheiten, die auf italienischem Staatsgebiet präsent sind, und zwar: albanische, katalanische, deutschsprachige, griechische, slowenische, kroatische, und französische, frankoprovenzalische, friulanische, ladinische, okzitanische und sardische Bevölkerungsgruppen.
In Friaul – Julisch Venetien wurden slowenische, deutschsprachige und friulanische Bevölkerungsgruppen anerkannt.
Es muss betont werden, dass sich die Region Friaul – Julisch Venetien schon Sondervorschriften gegeben hatte, wenn auch mit anderer Reichweite und anderer Finanzierung für die einzelnen Sprachminderheiten, die dann mit dem Gesetz 482 anerkannt wurden, insbesondere mit den Regionalgesetzen 46/1991 (slowenische Minderheit), 15/1996 (friulanische Sprache und Kultur) und 4/1999, Art. 6 (deutschsprachige Gemeinschaften).
Nach dem Gesetz 482/1999 und dem späteren Gesetz 38/2001 (umfassender Schutz der slowenischen Minderheit) zeichnet sich somit in Friaul – Julisch Venetien eine regionale „Mehrsprachigkeit“ ab, für die die Region auf der Grundlage des Autonomiestatuts in primis tätig werden muss, auch in Anbetracht der Tatsache, dass zwei der anerkannten Sprachgemeinschaften – die slowenische und die friulanische – ausschließlich in Friaul – Julisch Venetien leben, während deutschsprachige Gemeinschaften auch in anderen italienischen Alpenregionen präsent sind.
Mit diesem Gesetz zielen die Maßnahmen des italienischen Staates insbesondere auf die Bürgerrechte des Einzelnen ab, also auf das Recht auf den Vor- und Nachnamen in der Sprache der eigenen Gemeinschaft (Art. 11) und auch gegebenenfalls auf die Umbenennung in die ursprüngliche Form, falls der Name in der Vergangenheit von den kommunalen Meldebehörden geändert wurde, sowie auf das Recht auf die Verwendung der Ortsnamen in der Minderheitensprache in den Kommunen, in denen traditionell die Sprachgemeinschaft lebt (Art. 10).
Der Geltungsbereich des Gesetzes zielt nicht nur auf den Schutz und den Erhalt, sondern auch auf die Aufwertung der Minderheitensprachen ab, und folglich sind die Finanzmittel für drei strategische Hauptbereiche für das Überleben dieser Sprachminderheiten bestimmt: Bildungswesen, Ämter der öffentlichen Verwaltung und Massenmedien.
Für das Bildungswesen (Art. 4 und 5) ist die Verwendung der Minderheitensprache vom Kindergarten bis zur Grund- und Mittelschule vorgesehen, wobei die Eltern bei der Anmeldung des Kindes angeben müssen, ob sie dieses Recht in Anspruch nehmen wollen oder nicht.
Auch die Universitäten in den betroffenen Gebieten können im Rahmen ihrer Eigenständigkeit Sprach- und Kulturkurse der geschützten Sprachen planen (Art. 6).
Mit den Art. 9 und 15 wurden Fördermaßnahmen zugunsten der Einführung der Minderheitensprachen in den Ämtern der öffentlichen Verwaltung geplant (Region, Provinzen, Kommunen und andere Gebietskörperschaften), so dass Personal mit Kenntnissen in den Minderheitensprachen für die Bürger zur Verfügung steht.
Abschließend wurden mit den Artikeln 12 und 14 die Maßnahmen im Bereich Massenmedien (Verlagswesen, Rundfunk und Fernsehen) geregelt, die in einer Gesellschaft mit Medienkultur von grundlegender Bedeutung sind.
Mit dem Schutzgesetz 38/2001 für die slowenische Minderheit wird eine neue Regelung eingeführt, die „umfassende“ Maßnahmen für eine spezifische Minderheit vorsieht.
Es handelt sich dabei um eine komplexe Vorschriftenregelung, die zum ersten Mal gesetzlich anerkennt, dass es eine slowenische Sprachminderheit in Friaul – Julisch Venetien gibt, und zwar nicht nur in den Provinzen Triest und Görz, die schon per internationalen Abkommen geschützt wird und auf die in Art. 28 des Gesetzes verwiesen wird, sondern auch in der Provinz Udine, indem in Art. 12 das Institut für slowenische Bildung in San Pietro al Natisone anerkannt und Fördermittel für die Wahrung der sozialen, wirtschaftlichen und umweltpolitischen Interessen der Gemeinden des Canal del Ferro, des Kanaltals, der Valli del Torre und der Natisonetäler (Art. 21) bereit gestellt werden.
Im Gesetz 38 wird nicht nur, wie im Gesetz 482, auf die allgemeinen Grundsätze der europäischen Organe verwiesen, sondern in Art. 2 wird die spezifische Ausrichtung an den Schutzmaßnahmen erklärt, die in der „Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten“ und in der „Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ vorgesehen sind.
Die Begrenzung des Gebietes in Friaul – Julisch Venetien, in dem traditionell die slowenische Minderheit lebt, ist Aufgabe eines paritätischen institutionellen Ausschusses für die Probleme der slowenischen Minderheit (Art. 3).
Bei einigen Artikeln des Gesetzes muss betont werden, dass analog zum Gesetz 482 insbesondere das Recht der zur slowenischen Minderheit gehörenden Bürger auf den Vor- und Nachnamen in slowenischer Sprache geschützt wird (Art. 7), wobei auch Verfahren für die Änderung des Nachnamens vorgesehen sind, wenn dieser zuvor in der italienischen Form aufgezwungen wurde. Ferner wird das Recht auf Bezeichnung, Embleme und Schriftzüge in slowenischer Sprache von Instituten, Körperschaften, Vereinigungen und Unternehmen geschützt, und in Art. 10 ist auch die Verwendung der slowenischen Sprache zusätzlich zum Italienischen für die öffentliche Ausschilderung und Ortsnamen vorgesehen.
Von besonderer Bedeutung ist Art. 23, der die Bestimmungen von Art. 18 des Gesetzes 482 im Bereich des strafrechtlichen Schutzes der Sprachminderheiten ergänzt und klare Strafen verfügt, um Intoleranz und Gewalt gegenüber Angehörigen der Sprachminderheiten vorzubeugen und strafrechtlich zu verfolgen.
Das Gesetz greift in die drei grundlegenden, schon für das Gesetz 482 beschriebenen Bereiche ein, nämlich Bildungswesen, Verwendung der Sprache in der öffentlichen Verwaltung und Massenmedien, aber auch bei Tätigkeiten in den Bereichen Kultur, Kunst, Sport, Freizeit, Wissenschaft, Bildung, Information und Verlagswesen der slowenischen Minderheit und verfügt deren finanzielle Förderung mit einem entsprechenden Jahresbeitrag (Art. 16) an die Region Friaul – Julisch Venetien.
Die Bestimmungen nach Art. 20 sehen Schutzmaßnahmen für das historische und künstlerische Erbe der slowenischen Minderheit vor, und in Art. 19 wird die Rückerstattung von Gütern und Immobilien für die Tätigkeit kultureller und wissenschaftlicher Institutionen geregelt, die früher der slowenischen Minderheit gehörten.
Abschließend muss betont werden, dass mit Art. 5 das Gesetz 38 im Rahmen der Bestimmungen des Gesetzes 482 besondere Schutzformen für die deutschsprachigen Bevölkerungsgruppen im Kanaltal garantiert hat.